Freitag, 18. Juli 2008

Morcote, 12. Juli 2008

Morcote liegt am Fuße des Monte Arbòstora 10 km südwestlich von Lugano. In Morcote besuchten Hauptmanns des öfteren Eugen d’Albert; nach dessen Tod sein Grab auf dem Friedhof in Morcote, auf dem auch Alexander Moissi begraben liegt. Da meine Schwester nach dem Sturz beim Abstieg nach Rovio nicht laufen kann, mache ich mich allein auf den Weg nach Morcote, das wir schon bei der Schiffsfahrt nach Capolago von Ferne gesehen hatten. Das kleine Bergdorf schmiegt sich treppenförmig an den Monte Arbòstora.
Treppen sind es auch die mich zum Friedhof führen. In meinem Morcoter Reiseführer wird der Schriftsteller Piero Chiara zitiert, demzufolge der Friedhof "nichts Düsteres an sich hat und eine Ausstellung von marmornen Erinnerungen zu sein scheint, unterbrochen durch vereinzelte Zypressen oder schmale Beete". "Sterben ist schön" steht an der Kirche und genau das scheint der Friedhof vermitteln zu wollen mit seinen unzähligen Kunstwerken und Mausoleen; selbst eine Plastik von Henry Moore ist hier zu bewundern (sie ziert das Grab von Carlo Bombieri).


Hier nun suche ich die Gräber von Alexander Moissi und Eugene d'Albert. Wie mein Reiseführer auf die Idee kommt, das der Grabstein Moissis "viersprachig den Betrachter auf seine letzte Stunde hinweist" bleibt mir ein Rätsel:

Über Moissi schreibt Hauptmann in seinem Aufsatz "Deutschland und Shakespeare":
"Ich vergesse das Antlitz des zum Tode traurigen Spaßmachers nicht, wenn er im letzten Akt vor die Rampe tritt, um seine schwermutsvolle Moral herunterzuleiern. Ich wurde an Golgatha erinnert. In einem Augenblick ward meine Seele durch die Schlachtfelder, Schlafzimmer und Schreckenskammern der Königsdramen, mit Hamlet über die Terrasse von Helsingör bis zum Schädel Ypricks, an den Leichen Opheliens, Des-demonas, König Duncans und, ach, wie vieler anderer vorübergeführt: — »Hop heisa, bei Regen und Wind!«
Das war mehr als des Narren, das war Shakespeares Geist. Es war sein Antlitz, einem gemarterten und gekreuzigten Gotte ähnlich." (CA, VI, 929)
Fast ebenso schlicht wie das Grab Moissis (im Vergleich zu den vielen umgebenden Mausoleen) ist dasjenige von Eugene d'Albert. Der Komponist, der insbesondere mit seiner Oper "Tiefland" (hier das Libretto: http://www.opera-guide.ch/libretto.php?id=11&uilang=de&lang=de) berühmt wurde, zählte zum engeren Freundeskreis Hauptmanns, den Hauptmann in einem Gedicht 1927 als "hochverhrten Nachbarn auf dem Parnass" bezeichnete.

Monte Generoso, 11. Juli 2008

Im April 1896 unternimmt Hauptmann gemeinsam mit Moritz Heimann eine Reise nach Lugano, Copolago und Mendrisio. Von Mendrisio aus erklimmt er den über 1700 Meter hohen Monte Generoso, der sich am östlichen Ufer des Luganer See erhebt. Der Aufstieg von Mendrisio aus ist nur eine der Möglichkeiten, den Gipfel des Berges zu erreichen, wie Hauptmann zum Auftakt des „Ketzer von Soana“ ausführt:
„Reisende können den Weg zum Gipfel des Monte Generoso in Mendrisio antreten oder in Capolago mit der Zahnradbahn oder von Bissone aus über Soana, wo er am beschwerlichsten ist. Das ganze Gebiet gehört zum Tessin, einem Kanton der Schweiz, dessen Bevölkerung italienisch ist.“ (CA VI, 87)
Wir entscheiden uns für die scheinbar bequemere Variante und fahren mit der Zahnradbahn von Capolago zum Gipfel, der in tiefen Nebel gehüllt ist.

Wir entschließen uns zunächst zu einer rund einstündigen Gipfelwanderng bis Bellavista, eine Wanderung, die zwar nebelverhangene, dennoch aber unvergleichliche Blicke auf die Bergwelt ermöglicht:

In Bellavista sehen wir ein kleines Schild, das nach Rovio weist, jener Ort, den Hauptmann in seiner Ketzer-Erzählung als Soana verewigt hat. Das Bergdorf Rovio war ab Hauptmanns zweiter Besteigung des Monte Generoso 1897 sein bevorzugter Aufenthaltsort in der Schweiz. So hält er sich etwa vom 25. März bis zum 6. April 1898 und vom 16. April bis zum 14. Mai 1899 hier auf. Er beginnt hier mit der Niederschrift seiner ersten Fassung des Erzählfragments „Rovio“ (1899-1903), das mit den Herausgebern der Centenarausgabe als ein Versuch einer „Darstellung der Innenwelt des schöpferischen Subjekts“ (CA, XI, 1308) bezeichnet werden kann. Das Schild gibt uns den Hinweis, das für den Abstieg nach Rovio auf dem Monte S. Agata rund zweieinhalb Stunden benötigen würden. Wir machen uns also auf den Weg, der allerdings sehr viel beschwerlicher ist als der schöne Gipfelweg, den wir zuvor gegangen waren. Gute Bergschuhe wären hier angebracht gewesen, die weder meine Schwester noch ich dabei hatten, hatten wir doch gar nicht geplant, Rovio zu Fuß einen Besuch abzustatten. Nach rund einer Stunde Wanderung stürzt meine Schester, so dass wir den weiteren Weg mehr schlecht denn recht vorankommen. Erst gegen sechs Uhr abends eröffnet sich uns ein erster Blick auf Rovio:

"An einem Bergabhang oberhalb des Luganer Sees ist unter vielen anderen auch ein kleines Bergnest zu finden, das man auf einer steilen, in Serpentinen verlaufenden Bergstraße in etwa einer Stunde, vom Seeufer aus gerechnet, erreichen kann. Die Häuser des Ortes, die, wie an den meisten italienischen Plätzen der Umgegend, eine einzige ineinandergeschachtelte graue Ruine aus Stein und Mörtel sind, kehren ihre Fronten einem schluchtähnlichen Tale zu, das von den Auen und Terrassen des Fleckens und gegenüber von einem mächtigen Abhang des überragenden Bergriesen Monte Generoso gebildet wird." (CA, VI, 94)

Dies ist sicherlich nicht der Wasserfall, den Hauptmann in seiner Erzählung schildert, doch erinnert uns der kleine Wasserfall kurz vor Rovio an Hauptmanns Beschreibung zu Beginn seiner Soana-Erzählung:
"In dieses Tal, und zwar dort, wo es wirklich als enge Schlucht seinen Abschluß nimmt, ergießt sich von einer wohl hundert Meter höher gelegenen Talsohle ein Wasserfall, der, je nach Tages- und Jahreszeit und der gerade herrschenden Strömung der Luft mehr oder weniger stark, mit seinem Rauschen eine immerwährende Musik des Fleckens ist." (CA, VI, 94)
In Rovio übernachtete Hauptmann stets im „Kurhaus Monte Generoso“, das 1904 eröffnet wurde, sich heute Park-Hotel Rovio nennt und mit seinem berühmten Gast um Hotelgäste wirbt: http://www.parkhotelrovio.ch/homepagedef.htm. Hier noch ein letzter Blick von Rovio aus auf den Luganer See:

Dienstag, 15. Juli 2008

Lugano, 10. Juli 2008

1890 unternahm Hauptmann erstmals eine Reise zum Luganer See; den von ihm in seiner Erzählung „Der Ketzer von Soana“ verewigten Monte Generosa, der sich mit einer Höhe von rund 1.700 Metern zwischen Luganer und Comer See erhebt, erklimmt er allerdings erst 1896, um in den Folgejahren immer wider nach Rovio, dem Soana seiner Erzählung, und auch nach Lugano zu reisen. Auch zwischen 1924 und 1939 reiste Hauptmann zumeist jährlich entweder im Frühjahr oder im Herbst für mehrere Wochen nach Lugano, wo er im gründerzeitlichem Grand Hotel du Parc immer in den Zimmern 64 und 65 im 2. Stock wohnte. Das Parkhotel wurde bereits 1855 eröffnet und gilt damit als Symbol für den beginnenden Tourismus am Luganer See. Ab 1969 verfiel das Haus zunehmend und soll nun zu einem Kulturzentrum wiederauf- bzw. umgebaut werden (vgl. http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/0d75ee77-abbd-44a8-90c8-d28f48d22c6c.aspx, http://www.nextroom.at/article.php?article_id=5806 und http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/vom_grand_hotel_zum_kulturzentrum_1.783231.html)
Folgt man dem Tagebuch Margarete Hauptmanns so spielt sich ihr Leben in erster Linie in ihrem Hotel, insbesondere der dortigen Bar, und dem Café Huguenin ab. Mitunter trifft man sich auch mit Freunden und Bekannten im Bierlokal Gambrinius oder in den umliegenden Hotels, etwa dem Continental, der Villa Castagnola, dem Strand-Hotel Seegarten oder dem Hotel Splendide. In den 30er Jahren wird das Tableau um die Konditorei Berner und Zwahlen, das Cafe Vanini und das Restaurant Biaggi erweitert.
Die Hotels Coninental und die Villa Castagnola gibt es noch heute, hier das sehr schöne Grand Hotel Villa Castagnola:
Auch die Confiserie Vanini lädt weiterhin seine Gäste am angestammten Ort in der Via Nassa 9 wie auch jetzt auf der Piazza Riforma ein. Hier ein Bild vom Cafe in der Via Nassa:

Das Cafè Biaggi lag an der Via Pessini unweit der Piazza della Riforma in Lugano und war ein beliebter Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen. Das Restaurant war bis 1942 im Besitz der Familie Biaggi; heute heißt es Ristorante Grand Café Al Porto (vgl. http://www.grand-cafe-lugano.ch/ristorante/storia.cfm):
Spaziergänge führen Hauptmanns nicht nur zum Monte Brè oder zum Monte San Salvatore, sondern auch in den Stadtteil Loreto, wo sie die 1524 erbaute Kirche Santa Maria di Loreto besichtigten:

Donnerstag, 10. Juli 2008

Locarno, 9. Juli 2008

Vor unserem Ausflug in das Maggia-Tal suchten wir noch das Sanctuarium Artis Elisarion (http://www.minusio.ch/elisarion.asp?MM=4&SM=28) in Minusio auf. Das Haus wurde 1926/1927 für Elisar von Kupffer und Eduard von Mayer erbaut und gilt als einer der wenigen Tempelbauten des 20. Jahrhunderts. Hauptmann besuchte das Sanctuarum am 28. November 1931 und traf hier mit den beiden Begründern des Klarismus zusammen. Wir stehen leider vor verschlossener Tür mit dem Schild "Geschlossen bis 14. Juli". Das Hauptwerk Kupffers, das Gemälde "Klarwelt der Seligen", für das das Sancturarium um einen Anbau erweitert wurde, ist allerdings heute nur mehr noch als Kopie hier zu sehen. Das Original befindet ich auf dem Monte Verità.

Valle Maggia, 9. Juli 2008

"Ponte Brolla! hier raset das Kind, und es tobet heraklisch
durch das zwängende Tor, weiterhöhlend die Höhlung des Flußbetts,
das, zu bleichem Gebein urweltlicher Wesen gedrechselt,
das Geschäume bald teilet, bald hemmt und dann wiederum freigibt.
Und so wühlt es und suchet die Freiheit und stürmet den Ausgang
in ein weiteres Tal. Alles dieses steht Till vor der Seele.
Weit entfernt von den Strudeln und Fällen und Schnellen der Maggia,
liegt er gleichsam betäubt an der Klamm und berauscht von dem Mahlstrom.
Er vernimmt ein Gebrumm in den Tiefen und, unter dem Brummen,
jetzt Musik! 's ist die heilig erhallende Sprache des Äthers,
welche alles durchdringt. Tillen klingt es wie Orgeln des Abgrunds.
Saiten schluchzen dazu und erfüllen die Allheit des Äthers
mit Pylonen, Gewölben und heilig erhallenden Türmen.
Und darüber erhoben, wie hoch jubiliert es und jauchzt es
von Gewißheit des Heils und dem Nahsein glückseliger Welten!
Dort, wohin es ihn zog und von wo ihn der Anhauch beglückte
und erhöhte bereits und wohin seine Seele vorausflog,
dort erlebte und feierte Till endlich auch seine Ankunft.
Hinter ihm schwand der Wust. Und der schneeichte Wall des Gebirges
trennte Till von dem niederen Himmel voll Schatten des
Krieges, der ihn lange bedrückt und mit schrecklichen Bildern beängstigt.
Unter ihm lag der glitzernde See, freilich wieder ein Spiegel,
doch kein Tändlergerät, sondern weit dem Unendlichen offen,
überfließend von Licht und entbrannt von dem Glänze der Himmel."

(Gerhart Hauptmann: DES GROSSEN KAMPFFLIEGERS, LANDFAHRERS, GAUKLERS UND MAGIERS TILL EULENSPIEGEL ABENTEUER, STREICHE, GAUKELEIEN, GESICHTE UND TRÄUME. CA, Bd. IV, S. 906f.)

Ascona, 8. Juli 2008

Während Hotelbauten der 70er und 80er Jahre das Bild Locarnos bestimmen und alte Grandhotels langsam zerfallen, hat sich die Nachbargemeinde Ascona die Atmosphäre eines Fischerdorfes bewahrt. Nur wenige neuere Hotelanlagen säumen die Strandpromenade, vielmehr gibt die Piazza Motta einen Vorgeschmack auf die Altstadt mit ihren Gassen und kleinen Plätzen.
Wir machen uns zunächst auf den Weg nach Moscia, um das Haus Emil Ludwigs zu finden, der hier zwischen 1905 und 1948 gemeinsam mit seiner Frau Elga in der sog. 'Villa Ludwig' lebte. Wie wir später im Monte-Verità-Museum erfahren, steht das Haus nicht mehr, allein der Straßenname 'Via E. Ludwig' zeugt noch von dem pompösen Anwesen, zu dem Ludwig die kleine Steinhütte ausbaute.

Unser nächstes Ziel ist der Monte Monescia, der durch seine ersten Besitzer Henri Oedenkoven, Ida Hofmann und die Brüder Karl und Gustav Arthur Gräser als Monte Verità ab der Jahrhundertwende zum Zentrum der Lebensreform avancierte. 1926 erwarb der Bankier Eduard Freiherr von der Heydt den Berg und ließ hier durch Emil Fahrenkamp ein nobles Hotel errichten. Gerhart Hauptmann besuchte von der Heydt am 20. Oktober 1931 und besichtigte insbesondere dessen Asiatica-Sammlung.
Das sog. "Bauhaus"-Hotel ist heute wieder zugänglich und bietet seinen Gästen einen herrlichen Blick über den See.
In der 1902 erbauten Casa Anatta bietet eine Ausstellung die Möglichkeit, die einzelnen Phasen der Reformbewegung auf dem Monte Verità zu verfolgen. In einem der dort angebotenen Bücher wird auch Gerhart Hauptmanns Beziehung zum Berg der Wahrheit thematisiert.
Bislang war ich davon ausgegangen, dass Hauptmann sich kaum für das Aussteigerprojekt auf dem Monte Verità interessierte, hatte er doch in Rovio seine Inspirationsquelle gefunden, nun heißt es hier in dem Buch (Eberhard Mros: Glanz und Elend im Schatten des berühmten Berges. Nobelpreisträger und weniger Erfolgreiche. Ascona 2008, S. 31ff.), Hauptmann habe nach Unruhen in Berlin im Januar 1919 Zuflucht in Ascona gefunden. In Hauptmanns "Diarium 1917-1933" finde ich keinen Hinweis auf einen Aufenthalt auf dem Monte Verità. Lediglich im Mai 1919 resümiert Hauptmann seine Reise in die Schweiz:

"Agnetendorf, 26. 5.19. Es ist gut, irgendwie wirklich zu beginnen, wenn man auch über den rechten Beginn noch nicht im klaren ist. Nach monatelangen Zerstreuungen in der Schweiz habe heut, nachdem gestern abend angekommen, den Anfang ge­macht. Was man tut, ist getan, bestätigt das Tun und hebt den fruchtlosen Zustand auf. Die Tat, auch die geistige, befreit von dem quälenden Schwärm müßiger Reflexionen."

Es bleibt die Frage, war Hauptmann 1919 wirklich zu Gast auf dem Monte Verità?

Locarno, 7. Juli 2008


Locarno am Lago Maggiore ist ein typischer Ferienort, gänzlich dominiert vom Tourismus und im Erscheinungsbild einfach häßlich zu nennen. Die Promenade am See ist
gesäumt von zwar kleinen, dennoch aber unschönen Hotelburgen. Baukräne deuten daraufhin, dass bald weitere Touristenunterkünfte entstehen, die das Bild Locarnos wohl kaum bereichern werden. Eine Ausnahme bildet unser kleines Hotel Millenium, das direkt am Ufer gelegen ist (www.millennium-hotel.ch/). Bereits unser Hotel ist ein Zeichen dafür, dass Locarno ein Ort der versteckten Schönheiten ist. Reizvoll ist nicht nur ein Spaziergang entlang des Ufers in Richtung Minusio, dem sicherlich vornehmsten Ortsteil Locarnos, auch die Piazza Grande und die unzähligen, verwinkelten Altstadtgassen zeugen vom Charme, den Locarno noch in den 1920er und 30er bessen haben muß. Das Stammlokal der Hauptmanns an der Piazza Grande war das Café Scheurer, in dem sie häufig mit Freunden und Bekannten zusammentrafen.

Nach kürzeren Aufenthalten in Locarno verbrachten Gerhart und Margarete Hauptmann die Herbstmonate (Oktober, November) 1931 am Lago Maggiore, rund sechs Jahre nachdem der Ort durch die Verträge von Locarno, die vom 5. bis 16. Oktober 1925 verhandelt wurden, in die Geschichte einging. Das Haus, in dem die Verträge ausgehandelt wurden, ist im Zentrum Locarnos zu sehen. Während der Verhandlungen wohnte die deutsche Delegation um Hans Luther und Gustav Stresemann im renommierten Hotel Esplanade, das 1913 eröffnet wurde und nach einem Konkurs 1915 als Fünfsternehotel weitergeführt wurde. Auch Hauptmanns wohnten während ihres Aufenthalts in Locarno im Hotel Esplanade, das mit seiner exponierten Lage nicht nur einen herrlichen Ausblick auf den Lago Maggiore gewährt, sondern auch vom Wasser aus weithin sichtbar ist.

Das Esplanade wurde 1997 wiedereröffnet, nachdem es einige Zeit in den 1990er Jahren geschlossen war. Es teilt damit das Schicksal vieler Grandhotels, die heute wieder als Nobelhotels geführt werden. Ganz anders sieht es da mit dem Grand-Hotel Palace, in dem Hauptmanns am 5. November 1931 Zimmer besichtigten.

Das Hotel steht heute leer und zerfällt, allein der imposante Eingangsbereich hin zum Locarner Bahnhof wird von einer bekannten Hamburgerkette genutzt. Das Palace-Hotel steht zum Verkauf wie dem Datenblatt von Realinvest zu entnehmen ist: www.realinvest-consulting.ch/.../Kurzdatenblatt_inkl._Fotos_Grand_Hotel_Muralto-Locarno.pdf


Dienstag, 8. Juli 2008

Luzern - Locarno, 7. Juli 2008


Am Montag machen wir uns angesichts des schlechten Wetters in Luzern bereits um 13:21 Uhr auf die Reise nach Locarno. Seit ihrer großen Italienreise 1897 reisen Gerhart und Margarete Hauptmann nach Italien regelmäßig über den St. Gotthard. Auch unsere rund dreistündige Zugfahrt führt uns über Brunnen, Göschenen, Airolo und Bignasco nach Locarno. Margarete Hauptmann hielt in ihrem Tagebuch akribisch das Wetterschauspiel fest, das auch unsere Reise prägt. Während die Berge vor der Einfahrt in den Gotthardtunnel in Göschenen Wolkenverhangen sind, begrüßt uns in Airolo stralender Sonnenschein.
Der
Gotthardtunnel wurde zwischen 1872 und 1881 erbaut und bewältigt zwischen Göschenen und Airolo eine Strecke von 14 998 m. Zu Zeiten Hauptmanns benötigte die Gotthardbahn für die Strecke zwischen 14 und 16 Minuten. Mit dem Bau der Gotthardbahn beschäftigt sich Gerhart Hauptmann in seinem Fragment gebliebenen Drama "Der Mineur" (ab 1936). Hier verewigt er allerdings weniger den Bau der Bahn durch den Genfer In­genieur Louis Favre, sondern vielmehr den ursprünglich für den Tunnelbau vorgesehenen Ingenieur Carlo Cattaneo, für den die Bahnlinie Teil seiner Idee eines völkerverbindenden Eisen­bahn­netzes war. (Vgl. Uwe Ramlow: Tessin. Ein Reisebegleiter. Frankfurt / Main u. Leipzig 2005)

Montag, 7. Juli 2008

Luzern, 6. Juli 2008

Unserem Kürzestaufenthalt in Basel folgt ein Kurzbesuch in Luzern. "Meditiere im Anblick des göttlichen Luzern" (GH Hs 75, 2r), hatte Hauptmann 1937 im Schlafwagen nach der Lektüre Jean Pauls notiert. Also machen wir uns nun auf die Suche nach Hauptmanns göttlichem Luzern.
Wir bringen unser Gepäck ins nahe dem Bahnhof gelegenen Hotel "Vierwaldstätter Hof" und beginnen mit unserer Stadterkundung. Das mit Bezug auf Luzern vielverwendete Adjektiv 'malerisch' scheint die Stadt wirklich gut zu charakterisieren. Luzern ist architektonisch ganz auf den See und die Reuss hin ausgerichtet; die Brücken, allen voran die beiden überdachten H
olzbrücken (Kapellbrücke und Spreuerbrücke) bilden gemeinsam mit dem See Dreh- und Angelpunkt der Stadt.

Nicht nur die Fassaden der Altstadthäuser, sondern auch die der Neustadt sind auf den See und die Reuss hin konzipiert. Ihre Schauseiten wie auch die Uferpromenaden zeugen davon, dass Luzern bereits im 19. Jahrhundert eine Hochburg des Tourismus gewesen ist.

Ab dem Grossbrand in der Luzerner Altstadt in den 1830er Jahren öffnet sich die Stadt zusehends dem See. Davon zeugt insbesondere der Schweizerhof, in dem Gerhart Hauptmann mit Lovis Corinth am 15. Mai 1924 zusammentraf. Das Haus ist zudem ein anschauliches Beispiel für die Geschichte der Grand Hotels, deren Aufstieg mit dem Wandel des Reisens im 19. Jahrhundert einsetzt. Der Schweizerhof, in dem Hauptmanns im September 1931 logieren, wird ab 1844 als dreiteilige Hotelanlage errichtet.

Der heutige Schweizerhof (http://www.schweizerhof-luzern.ch/indexf.asp) wurde nach umfänglichen Renovierungsmaßnahmen 1999 wieder eröffnet. Das Hotel Du Lac dagegen, in dem Hauptmanns im Mai 1924 übernachteten, suchten wir vergebens. Allein bei einem Ansichtskartenverkauf im Internet (www.ak-verkauf.de) findet sich ein Hinweis auf das nicht minder prunkvolle Hotel:


Basel, 6. Juli 2008



Es ist Sonntag. Katharina und ich treffen im Baseler Hauptbahnhof zusammen, um von hier aus unsere Reise auf den Spuren Gerhart Hauptmanns zu beginnen. Nicht erst für uns ist Basel erstes Etappenziel unserer Fahrt nach Luzern, Locarono, Lugano und Rapallo, auch Hauptmann machte meist nur kurz Halt in der als Eingangstor zur Schweiz bekannten Stadt.



Wahrscheinlich reisen Hauptmanns nach einem ersten Aufenthalt 1914 erst wieder am 22. Oktober 1928 mit dem Luxuszug Rheingold von Essen nach Basel, wo sie im Hotel Drei Könige übernachten und mit Christoph Bernoulli, André Germain und Gerd Voss zusammentreffen. Mit den beiden letztgenannten fahren sie bereits am nächsten Tag weiter nach Lugano.


Auch ihr nächster Aufenthalt ist denkbar kurz: Nachdem sie am 3. Mai 1930 nur kurz Station auf Ihrer Autoreise von Zürich nach Freiburg i. Br. gemacht hatten, essen sie am 15. Mai 1931 im Hotel Drei Könige zu Mittag. Im Hotel Hotel Drei Könige übernachtete bereits Goethe während einer Reise in die Schweiz. Ungeachtet der Kürze seiner Aufenthalte in Basel, hält Hauptmann in seinem Tagebuch seine Eindrücke der Stadt fest:

„In Basel ist eine andre Zeit / das ist ein Stadt [die hat] ihr Leid / sie hlt es fest und hlt es eng / aussen bleibt das Weltgedräng.“ (GH Hs 118, 16r)