Freitag, 18. Juli 2008

Monte Generoso, 11. Juli 2008

Im April 1896 unternimmt Hauptmann gemeinsam mit Moritz Heimann eine Reise nach Lugano, Copolago und Mendrisio. Von Mendrisio aus erklimmt er den über 1700 Meter hohen Monte Generoso, der sich am östlichen Ufer des Luganer See erhebt. Der Aufstieg von Mendrisio aus ist nur eine der Möglichkeiten, den Gipfel des Berges zu erreichen, wie Hauptmann zum Auftakt des „Ketzer von Soana“ ausführt:
„Reisende können den Weg zum Gipfel des Monte Generoso in Mendrisio antreten oder in Capolago mit der Zahnradbahn oder von Bissone aus über Soana, wo er am beschwerlichsten ist. Das ganze Gebiet gehört zum Tessin, einem Kanton der Schweiz, dessen Bevölkerung italienisch ist.“ (CA VI, 87)
Wir entscheiden uns für die scheinbar bequemere Variante und fahren mit der Zahnradbahn von Capolago zum Gipfel, der in tiefen Nebel gehüllt ist.

Wir entschließen uns zunächst zu einer rund einstündigen Gipfelwanderng bis Bellavista, eine Wanderung, die zwar nebelverhangene, dennoch aber unvergleichliche Blicke auf die Bergwelt ermöglicht:

In Bellavista sehen wir ein kleines Schild, das nach Rovio weist, jener Ort, den Hauptmann in seiner Ketzer-Erzählung als Soana verewigt hat. Das Bergdorf Rovio war ab Hauptmanns zweiter Besteigung des Monte Generoso 1897 sein bevorzugter Aufenthaltsort in der Schweiz. So hält er sich etwa vom 25. März bis zum 6. April 1898 und vom 16. April bis zum 14. Mai 1899 hier auf. Er beginnt hier mit der Niederschrift seiner ersten Fassung des Erzählfragments „Rovio“ (1899-1903), das mit den Herausgebern der Centenarausgabe als ein Versuch einer „Darstellung der Innenwelt des schöpferischen Subjekts“ (CA, XI, 1308) bezeichnet werden kann. Das Schild gibt uns den Hinweis, das für den Abstieg nach Rovio auf dem Monte S. Agata rund zweieinhalb Stunden benötigen würden. Wir machen uns also auf den Weg, der allerdings sehr viel beschwerlicher ist als der schöne Gipfelweg, den wir zuvor gegangen waren. Gute Bergschuhe wären hier angebracht gewesen, die weder meine Schwester noch ich dabei hatten, hatten wir doch gar nicht geplant, Rovio zu Fuß einen Besuch abzustatten. Nach rund einer Stunde Wanderung stürzt meine Schester, so dass wir den weiteren Weg mehr schlecht denn recht vorankommen. Erst gegen sechs Uhr abends eröffnet sich uns ein erster Blick auf Rovio:

"An einem Bergabhang oberhalb des Luganer Sees ist unter vielen anderen auch ein kleines Bergnest zu finden, das man auf einer steilen, in Serpentinen verlaufenden Bergstraße in etwa einer Stunde, vom Seeufer aus gerechnet, erreichen kann. Die Häuser des Ortes, die, wie an den meisten italienischen Plätzen der Umgegend, eine einzige ineinandergeschachtelte graue Ruine aus Stein und Mörtel sind, kehren ihre Fronten einem schluchtähnlichen Tale zu, das von den Auen und Terrassen des Fleckens und gegenüber von einem mächtigen Abhang des überragenden Bergriesen Monte Generoso gebildet wird." (CA, VI, 94)

Dies ist sicherlich nicht der Wasserfall, den Hauptmann in seiner Erzählung schildert, doch erinnert uns der kleine Wasserfall kurz vor Rovio an Hauptmanns Beschreibung zu Beginn seiner Soana-Erzählung:
"In dieses Tal, und zwar dort, wo es wirklich als enge Schlucht seinen Abschluß nimmt, ergießt sich von einer wohl hundert Meter höher gelegenen Talsohle ein Wasserfall, der, je nach Tages- und Jahreszeit und der gerade herrschenden Strömung der Luft mehr oder weniger stark, mit seinem Rauschen eine immerwährende Musik des Fleckens ist." (CA, VI, 94)
In Rovio übernachtete Hauptmann stets im „Kurhaus Monte Generoso“, das 1904 eröffnet wurde, sich heute Park-Hotel Rovio nennt und mit seinem berühmten Gast um Hotelgäste wirbt: http://www.parkhotelrovio.ch/homepagedef.htm. Hier noch ein letzter Blick von Rovio aus auf den Luganer See:

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