Während Hotelbauten der 70er und 80er Jahre das Bild Locarnos bestimmen und alte Grandhotels langsam zerfallen, hat sich die Nachbargemeinde Ascona die Atmosphäre eines Fischerdorfes bewahrt. Nur wenige neuere Hotelanlagen säumen die Strandpromenade, vielmehr gibt die Piazza Motta einen Vorgeschmack auf die Altstadt mit ihren Gassen und kleinen Plätzen.
Wir machen uns zunächst auf den Weg nach Moscia, um das Haus Emil Ludwigs zu finden, der hier zwischen 1905 und 1948 gemeinsam mit seiner Frau Elga in der sog. 'Villa Ludwig' lebte. Wie wir später im Monte-Verità-Museum erfahren, steht das Haus nicht mehr, allein der Straßenname 'Via E. Ludwig' zeugt noch von dem pompösen Anwesen, zu dem Ludwig die kleine Steinhütte ausbaute.
Unser nächstes Ziel ist der Monte Monescia, der durch seine ersten Besitzer Henri Oedenkoven, Ida Hofmann und die Brüder Karl und Gustav Arthur Gräser als Monte Verità ab der Jahrhundertwende zum Zentrum der Lebensreform avancierte. 1926 erwarb der Bankier Eduard Freiherr von der Heydt den Berg und ließ hier durch Emil Fahrenkamp ein nobles Hotel errichten. Gerhart Hauptmann besuchte von der Heydt am 20. Oktober 1931 und besichtigte insbesondere dessen Asiatica-Sammlung.
Das sog. "Bauhaus"-Hotel ist heute wieder zugänglich und bietet seinen Gästen einen herrlichen Blick über den See.
In der 1902 erbauten Casa Anatta bietet eine Ausstellung die Möglichkeit, die einzelnen Phasen der Reformbewegung auf dem Monte Verità zu verfolgen. In einem der dort angebotenen Bücher wird auch Gerhart Hauptmanns Beziehung zum Berg der Wahrheit thematisiert.
Bislang war ich davon ausgegangen, dass Hauptmann sich kaum für das Aussteigerprojekt auf dem Monte Verità interessierte, hatte er doch in Rovio seine Inspirationsquelle gefunden, nun heißt es hier in dem Buch (Eberhard Mros: Glanz und Elend im Schatten des berühmten Berges. Nobelpreisträger und weniger Erfolgreiche. Ascona 2008, S. 31ff.), Hauptmann habe nach Unruhen in Berlin im Januar 1919 Zuflucht in Ascona gefunden. In Hauptmanns "Diarium 1917-1933" finde ich keinen Hinweis auf einen Aufenthalt auf dem Monte Verità. Lediglich im Mai 1919 resümiert Hauptmann seine Reise in die Schweiz:
"Agnetendorf, 26. 5.19. Es ist gut, irgendwie wirklich zu beginnen, wenn man auch über den rechten Beginn noch nicht im klaren ist. Nach monatelangen Zerstreuungen in der Schweiz habe heut, nachdem gestern abend angekommen, den Anfang gemacht. Was man tut, ist getan, bestätigt das Tun und hebt den fruchtlosen Zustand auf. Die Tat, auch die geistige, befreit von dem quälenden Schwärm müßiger Reflexionen."
Es bleibt die Frage, war Hauptmann 1919 wirklich zu Gast auf dem Monte Verità?
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen